WanderreiterWeb    Surselva (CH)   



  vorgesehene Überquerung des wunderschönen
Sturzbaches, aber auf schlüpfrigen Betonklötzen




Karte von "www.wanderreitkarte.de" / OSM.org
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bei Tour 69

Wir packen zusammen und starten nach einem schönen Frühstück in der Hütte gegen viertel vor acht und steigen ab ins Tal. Man sieht den Lago di Luzzone unten näher kommen. Nach einer halben Stunde führt der Pfad über eine Brücke aber ich schicke Casanova gleich durch den Fluss, die Brücke ist nur noch für Leichtgewichte geeignet. Peter schickt Masur dann hinterher. Dann kommen wir an eine wunderschöne heile Brücke und dort ist auch ein Rastplatz für eine kurze Pause.

Da es an diesem Tag so viel zu erzählen gibt, habe ich den Text auch zwischen den Bildern platziert.


Abschied von der Capanna Motterascio


der Weg führt teilweise steil, aber gut machbar ins Tal


Die ganze Zeit sehen wir den halbleeren Stausee im Tal


kurzer Stopp zum Gepäckrichten, im Hintergrund auf der Höhe die refugio Motterascio


wir laufen immer bergab


dann schicke ich Casanova direkt durch den Fluss, gehe selbst...


...über diese Brücke, Peter kommt auf die gleiche Weise nach


wir sind schon halb unten, es ist jetzt halb neun

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diese wunderschöne Brücke hält auch die Pferde aus




So sehen wir den Stausee, an dessen "Ufer" wir eigentlich zelten wollten, da hätten wir keine Chance gehabt ans Wasser zu kommen. Wir erreichen den See und etwa nach 1 km kommen wir zur Alpe Garzott, eine kleine Almhütte. Die 2 (3) Frauen dort bewirten uns mit Drinks und Peter fragt nach dem Aufstieg zum Passo Soreda. Sie wissen es nicht genau aber von Wanderern wird er als sehr steil und heftig bezeichnet. Runter nach der anderen Seite sei er einfacher (was allerdings auf der Karte und in Beschreibungen anders ausschaut). Auch sie meinen, der Passweg (in der Mitte des Sees) sei zu steil, der am Ende des Sees sei machbar.

Casanova und Masur schauen sich die Ställe an, die im Moment leer sind, Casanova testet jeden Eimer auf Essensreste und ich muss das dann beenden, das wird zu peinlich, nach einer Pause gehen wir dann auch weiter. Nach 500m zweigt dann der Wanderweg zum Passo Soreda ab, ich will weiter aber Peter will ihn nehmen und ich meine zu ihm, das sei genau der Weg vor dem uns alle gewarnt haben, wir müssen den Weg am Ende des Sees nehmen. Peter sagt, auf seiner Karte sei da kein Weg. Wir stehen kurz davor, dann geht er Richtung Pass, ich folge brav, hab' ja einen Explorertrail gebucht.

Wieder zu Hause sehe ich mir dann unsere Tour an und finde den beschriebenen Weg, der dort sogar als Fahrweg durch einen Tunnel führt. Ich prüfe es auf allen, mir verfügbaren, GPS-fähigen Karten, der Swiss-Topo, der OSM-Karte (wanderreitkarte.de), der OpenTopo und der SchweizMobil-Karte.

Der Weg ist berall eingezeichnet. Seltsam, dass er auf Peters Garmin-Navy-Karte nicht eingezeichnet ist? Wie man sich doch mit Lügen die Welt schönreden kann!

Wir gehen dann den Weg zum Pass, anfangs ist er super, führt nur leicht hinauf, dann wird er steiler und Peter steigt ab und führt. Mein Pony ist noch fit und ich reite noch eine Weile bis es auch mir zu steil wird. Wir gehen immer weiter in das Bergtal und dann eine Kurve und danach ein wunderschöner Wasserfall mit einem solch bescheidenen Übergang für die Pferde, dass wir es gar nicht versuchen wollen.


 (Fb-Foto)
 

anfangs geht der Weg sehr moderat hinauf


dann wird es steiler


bis Peter absteigt, ich reite noch ein wenig weiter


dann wird es ungepflegter und enger


da hinten am Ende des Tals müssen wir irgendwo hoch

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mittlerweile führe ich auch schon eine Weile


und da kommt der Übergang über den Sturzbach


später auf dem Rückweg fotografiert, so sieht es von nah aus



 

Wir steigen ein Stück den Hang hinab und versuchen eine Art "Furt" bzw. einen flacheren Bachverlauf weiter unten zu erreichen. Es geht ganz gut, bloß am Fluss angekommen gibt es einen Absatz von knapp einem (?) Meter Höhe, von dem aus die Pferde dann ins Wasser springen - ganz schön mutig, vor allem da der ganze Boden in dem flachen Bachtümpel mit Steinen und Geröll bedeckt ist. Auf der anderen Seite aus dem Bach raus und dann den Bergpfad oberhalb wieder suchen. Wir schlagen uns durch das überall vorhandene Gestrüpp, man sieht die Richtung nicht, direkt hoch zum Weg geht nicht da zu steil, wir müssen irgendwie um den Hügel herum, man kann den Boden nicht sehen wegen des dichten Bewuchses und Casanova rutscht ständig nach unten da er wohl auf schiefe Platten tritt.

Peter und Masur sind mal wieder weg, außer Sichtweite und mein Pony wird immer schneller, überholt mich oberhalb und rutscht von da auf mich drauf. Ich kann im Gelände einfach nicht so schnell wie ein Pferd, hab' ja auch keine vier Beine - das ist eine echte Quälerei. Irgendwann erreichen wir dann den Weg direkt an einer Almhütte wo wir den Pferden ein wenig Zeit zum Grasen geben. Casanova hat zu seinen vielen Kratzern, durch die Überquerung und das Gestrüpp, noch ein paar weitere dazubekommen - aber das ist ja normal bei ihm und kein Grund um zweimal hinzuschauen.




dann weiter zum Ende des Tales



 

Wir passieren ein paar einfachere Furten. Es ist 11 Uhr und wir sind jetzt 150m bevor der Weg quer zur Hangneigung in Serpentinen aufsteigt. Ich habe keine Bilder von dem gesamten Teilstück bis zur Abbruchstelle und zurück. Jedenfalls folgen wir dem Bergpfad in den Hang hinein. Der Weg führt mäßig steil in Serpentinen den Hang hinauf, immer wieder sind Stufen, Felsabsätze, von 40-50cm Höhe zu überwinden. Wir haben etwa 2/3 des Aufstiegs zur Alpe Scarada di Sopra geschafft, da weigert Casanova sich auf einmal drastisch weiterzugehen. Peter ist mit Masur oberhalb, mal wieder außer Sicht und mein Pony beschließt, dass es jetzt genug sei, oder was auch immer. Nach Sattelkontrolle und einigen vergeblichen Versuchen, ihn wieder zu motivieren, rufe ich nach oben, was Sache ist, und Peter meint, "ok, lass uns umdrehen, wir sind noch lange nicht auf dem Pass".

Er kommt wieder runter und ich habe arge Bedenken diesen bescheidenen Übergang beim Sturzbach jetzt wieder vor mir zu haben und vermutlich hat Casanova meine Stimmung so interpretiert, dass es wohl besser sei, erst mal die Nacht hier abzuwarten - morgen sei ein neuer Tag. Vielleicht würde ich ja auch den Hänger holen?

Casanova will nämlich auch zurück keinen Schritt gehen, die Hänger Option ist wohl zu verlockend bei ihm? Wir beschließen dann, dass ich mit Masur vorgehe, so dass er durch die Motivation, seinem Kumpel zu folgen, ausreichend angespornt wird - ich fühle mich im Augenblick völlig neben mir stehend, ich glaube ich habe das kommende Unheil schon gespürt, bin aber erleichtert im Moment die Verantwortung abgeben zu können (wie peinlich!).

Also bin ich mit Masur den Bergpfad in Serpentinen wieder nach unten. Ich sehe aus den Augenwinkeln - Peter versucht das Pony gegen dessen Willen mit aller Kraft am Führstrick bergab zu ziehen (?). Ich denke mir "das bringt so nichts" denn ein 400kg-Pferd kann man nicht mit Körperkraft vorwärtsbewegen. Ich gehe ein paar Meter weiter. Peter zieht weiter mit aller Kraft am Strick, ist dem Pony zugewandt, ich sehe von unten nur Peters und Casanovas Oberkörper und den Kopf, der ist waagerecht, Augen nach oben und wahrscheinlich rollt er sie gerade vor Wut und/oder Panik. Er kann so überhaupt nicht mehr nach unten sehen und wo seine Füße hintreten, er wehrt sich weiter und geht vermutlich rückwärts.

Ich müsste eigentlich auf den Weg achten und bleibe stehen und gehe 1-2 Meter zurück um besser hochschauen zu können, Masur bleibt vor mir stehen und dreht sich zu mir. In dem Moment kommt ein fetter Felsblock den Hang runter und schießt zwischen mir und Masur durch, er war riesig, hätte er einen von uns getroffen hätte er die Knochen zerschmettert. Wäre ich nach dem Stehenbleiben nicht beiseite gegangen hätte er mich vermutlich getroffen. Ich schaue dem Felsblock irritiert nach und höre wieder ein Geräusch im Hang, schaue zurück, sehe, den sich über die Seite und den Rücken überschlagenden, Casanova und im nächsten Moment kracht er in Masur, fegt ihn von den Beinen und bleibt 3 m weiter liegen. Was mit Masur passiert ist, sehe ich im Moment nicht, ich sehe bloß mein Pony da liegen! (Bilder vergrößern durch anklicken)

Das war ein Absturz über etwa 26m Luftlinie und  ca.21 Höhenmeter (das sind an der Stelle ca. 81% Gefälle - sagt die gps-Karte, ist aber nicht exakt bestimmbar). Glücklicherweise hatte ich so viel Intuition genau an der Stelle stehen zu bleiben an der ich seinen Absturz dann aufhalten konnte, sonst wäre er noch weiter ins Tal gestürzt - der Hang ging an der Stelle noch knapp 100m mit etwa 132% Gefälle runter und endete in der Absturzrichtung dann etwas flacher in einem Bach. Das war knapp und mein Pony hat hier mindestens 3 seiner 9 Leben verbraucht (Grüße an Margaretha van Dam!).

Das hätte um ein Haar mit gebrochenen Beinen oder Schlimmerem geendet. Ich sage es hier nochmal ausdrücklich: "der Weg war an dieser Stelle in keiner Weise gefährlich", auch nicht für Pferde - nur darf man ihn nicht verlassen!

und:

wichtig! Niemals die Regeln des Bergwanderns einhalten, das könnte das Pony kosten! Diese Regeln sagen ja im felsigen Gelände: "Sich niemals unterhalb eines anderen Bergwanderers aufhalten und einen Schutzhelm tragen".

Er ist im Moment apathisch, ich auch, aber ich versuche ihn zum Aufstehen zu bringen - er reagiert nicht. Ich kann mich tatsächlich nur vage an diese und die nächsten Sekunden (?) erinnern, jedenfalls gelingt es mir dann ihn zum Aufstehen zu bringen.

Dann kommt Peter von oben. Casanova ist rund herum an den Beinen von kleinen Schürfwunden und Schnitten bedeckt und hat eine heftige Verletzung am rechten Vorderbein unterhalb des Ellenbogens. Ein Hautlappen ist eingerissen, steht ab und man sieht bis auf den Muskel, 10cm waagerecht und 10cm senkrecht nach oben - nur die Haut ist verletzt, nicht der Muskel, aber es blutet stark. Die schlimme Verletzung sah am nächsten Morgen so aus - (Vergrößern und ohne Graufilter - anklicken).

Vom Gepäck ist nichts gerissen oder stark verrutscht und nur am kleinen Riemen, der die Vorderpacktaschen vor dem Sattel verbindet, ist die Schnalle gebrochen. Gepäck und Sattel haben ihm sicher den Rücken und die Flanken gerettet - das Ganze ist unglaublich!

Auf dem Weg, zurück zum Wasserfall führe ich wieder Masur vorneweg, der hat glücklicherweise nichts vom Zusammenprall zurück behalten, Casanova kommt jetzt leidlich nach. Er hat wohl die Hoffnung aufgegeben, dass ich den Hänger noch beibringe.


Tja da kommen wir dann wieder zurück Casanova sieht unglücklich aus


und sehr skeptisch

Bei einem Felsabsatz komme ich nicht schnell genug hoch und Masur, der nie Abstand zum Führer hält, kommt zu schnell nach. Ich muss mich nach rechts fallen lassen und spüre nacheinander drei Hufe auf meiner rechten Wade, das rechte Knie tut mir seit der Überquerung des Sturzbaches 'eh schon weh. Zum Glück, dass ich meine Lederchaps anhabe! Masur ist jung und wohl Distanzpferd gewesen, er ist halt erst seit 3 Wochen auf solchen Bergtouren und hat wahrscheinlich keine Ahnung vom Geführt werden und was im Berg (mit Mensch) wichtig ist - er kann nichts dafür. Ich würde niemals mit einem jungen, unerfahrenen Pferd auf solch eine Tour gehen!

Wir kommen dann wieder an die Almhütte und ich wasche die Wunde und das Bein mit fließendem Wasser aus dem Brunnen ab, es hat fast aufgehört zu bluten. Peter meint, er hätte einen Tacker und versucht ohne Sedierung die Wunde zu tackern (ich sehe mir den Tacker nicht an) - es ist natürlich sinnlos (Pferd springt weg) und er macht es auch völlig falsch, man kann nicht die Haut an den Muskel tackern sondern muss die Wundränder zusammen bringen und dann mit den Klammern miteinander verbinden, dabei stechen die Klammern auch nicht durch die Haut - sie drücken die Schnittkanten nur aneinander. Ich bin schon mal mit meinem Pony (nach seinem Rutsch in die wilde Endert  - Gruß an Werner) mit einer geklammerten Wunde geritten!.

Aber ohne vernünftiges Klammergerät (Abb.), Zange/Pinzette, OP-Handschuhe, Desinfektionsmittel, und örtliche Betäubung (evtl. Sedierung) ist das nicht möglich und auch sinnlos, denn die Wunde würde sich definitiv entzünden wenn sie incl. Bakterien und Dreck verschlossen wird. Ich sage nichts dazu denn es erledigt sich von selbst. Wir lassen die Pferde ein wenig ausruhen und grasen - sie fressen beide (was bedeutet, dass es ihnen gut geht). Den rechten Steigbügel binde ich hoch damit er beim, später folgenden, steil abwärts laufen, die offene Wunde nicht berühren kann. Wir gehen dann weiter und kommen wieder an den "Sturzbach".

Ich kann im Moment im weglosen Gelände schlecht führen (da ich leicht humpele - mein rechtes Knie ist seit 35 Jahren kaputt und hat heute zu viel abbekommen und die Wade ist auch blutunterlaufen von 3 Hufen samt Pferdegewicht), ich bin dadurch einfach zu langsam für ein Pferd. Erst versucht Peter vom Weg runter zu der Furt aber Casanova verweigert - wir sind auch nicht an der richtigen Stelle (hier war es zu steil). Peter führt Masur dann oberhalb des Pfades über den Bach um die großen glitschigen Betonklötze zu vermeiden und es klappt gut, ich gehe mit ihm dann weiter bis um die Wegbiegung. Ich binde Masur an niedrigen Sträuchern an um nach hinten schauen zu können. Es ist ein wenig schwierig mit dem Führstrick und ich befürchte, dass er nicht hält und Masur abhaut. Peter versucht eine Zeit lang auch Casanova dort rüber zu "lotsen", er verweigert aber standhaft.


Peter versucht ihn über die blöde Stelle zu bekommen


aber der Herr bleibt standhaft unnachgiebig, fast wie sein Lieblings-Spanier


hat ja jetzt auch allen Grund dazu, diesem Mensch nicht mehr zu vertrauen


Nach einer Weile aus der Ferne zuschauen merke ich, dass mein Kopf langsam wieder klar wird, ich war bis hier hin wie benebelt von der Situation - das "Denken" kommt jetzt scheinbar wieder. Und ich denke, "wir müssen es zu zweit versuchen" und gehe zurück.

Man muss dazu anmerken, dass ein Pferd unbekannte und schwierige Stellen am Boden vor dem vorsichtigen darüber gehen mit Augen und Nase "an testen" muss. Dazu senkt es die Nase zum Boden und schaut sich alles aus nächster Nähe an. Ein Pferdekenner weiß, dass ein Pferd alles, was 1-1,5m vor sich liegt, in der normalen Haltung des Kopfes (beim Laufen) gar nicht scharf sehen kann. Der Grund ist die Positionierung der Augen seitlich des Kopfes.

Nur in einem engen Winkel von 60-90° kann das Pferd scharf (räumlich mit beiden Augen) sehen und es hat einen toten Winkel (Blickrichtung Nüstern). Mit waagerechtem Kopf und Zug auf dem Führstrick sieht das Pony natürlich überhaupt nichts vom Boden. Daher ist so etwas wie "mit Kraft am Strick ziehen" sinnlos (außer als kurzer Impuls um es vorwärts zu treiben).Ich breche mir ein Stöckchen von einem Busch und zu zweit bringen wir mein Pony dann dazu, auf dem selben Weg und zur selben "Furt" wie auf dem Hinweg abzusteigen und auf der anderen Seite wieder zum Weg hoch zu gehen. Peter geht voraus und ich mit dem Stöckchen am Hintern, das ihn vorwärts treibt, ich kann mich dabei im Gelände am Schweif abstützen und das klappt gut.

Das Hochkommen nach der Bachdurchquerung ist ein wenig problematisch, denn beim Hinweg sind sie ja einen Absatz runtergesprungen der zurück so nicht geht. Der Alternativpfad führt auf ca. 50cm Trittbreite an einem Felsblock vorbei, links der tosende Wasserfall, der fällt noch mal ein paar Meter runter. Man sieht den Boden nicht wegen dem Gestrüpp. Aber alles geht gut.

Wir erreichen den Weg und Masur, der nicht abgehauen ist. Mir ist schlecht - zu viel Adrenalin im Blut! Den Rest des Bergpfades bis zur Straße führe ich mein Pony wieder selbst. Casanova ist wenigstens so gut erzogen nicht den Führer platt zu machen! Ein paar 100m weiter müssen wir wieder eine längere Pause machen weil Masur einen Duplobeschlag sonst gleich verlieren würde und es dauert auf dem engen Weg eine Weile das zu richten. Ein Wanderer muss kurz warten bis wir den Weg frei gemacht haben. Gepäck teilweise abpacken, Zange, Hammer, Nägel, Feile suchen, neu aufnageln dann alles wieder verstauen.

Auf der Straße dann, versuche ich zu reiten aber Casanova lahmt leicht. Zum Laufen bin ich Peter zu langsam also reite ich Masur und wir binden Casanova an den Sattelknauf, das funktioniert. Wir kehren dann in einem Restaurant an der Staumauer ein und essen was und gehen nach einer längeren Pause weiter. Casanova hat ohne Reiter nicht mehr sichtbar gelahmt, wahrscheinlich hat ihm nur die Hautwunde geschmerzt und das gibt sich dann beim Laufen, bei mir ist das ähnlich. Jetzt laufen wir ewig lange die Straße runter ins Tal zu dem Dorf Campo Blenio in dessen Nähe Peter einen Bauern kennt, der uns eine wunderschöne Wiese im Wald überlässt. Peter will gerne weiter und nicht abbrechen, ich sage dann - im Prinzip ja, die Wunde liegt nicht im Bereich scheuernden Sattelzeugs aber nicht mit dem abstehenden und rumschlabbernden Hautlappen.

So etwas ist nicht sauber zu halten und auch die permanenten entsetzten Blicke der Leute wären für mich nicht tolerierbar. Auch Peter hat die Pferde vor dem Restaurant so hinstellen wollen, dass Casanovas Wunde von Masur verdeckt ist - es hat aber nicht wirklich funktioniert, sind halt Pferde, keine Gepäckständer. Nach 6 1/2 Stunden haben wir, nach langem Warten beim Bauern, die Wiese erreicht, ein Annähen/Tackern der Hautwunde ist jetzt sinnlos. Wir lassen erst am nächsten Tag einen Tierarzt kommen, er kommt dann gegen Mittag und macht die Wunde sauber, verbindet sie und fängt eine Antibiose an - er will nicht abschneiden. Der Verband hält natürlich keine Stunde - er rutscht das konische Bein runter, trotz Haftbinde.


wunderschöne Abschlusswiese für die Ponys


leider möchte Casanova sich im Moment eher nicht hinlegen

Der Tierarzt wollte den Hautlappen nicht abschneiden, warum auch immer - also weigere ich mich weiter zu gehen. Prinzipiell habe ich kein Problem mit einer offenen Wunde zu reiten, auch wenn diese recht groß war. Bei meinem Pony musste ich das schon ein oder zwei Mal machen (natürlich nicht in dieser Heftigkeit) und nie gab es Probleme. Ich empfinde Bewegung auch als besser als die Wunde, beim frustrierten Pferd in Zwangspause, vor sich hingammeln zu lassen. Im Gelände ist so etwas wesentlich besser aufgehoben als im Stall, aber eben offen und frei zugänglich müsste sie sein um sie gut versorgen zu können und regelmäßig zu desinfizieren. Es ist am Anfang bei offenen Wunden immer so, dass sie stark eitern (wegen der Fliegen), und die Bakterien die das verursachen müssen regelmäßig weggespült werden.

Mittlerweile ist Peter scheinbar der gleichen Meinung und am nächsten Tag fährt er früh mit Bus und Bahn das Gespann holen und ich hüte die Pferde, die das nicht brauchen und packe unser Campmaterial zusammen und lasse alles in der Sonne trocknen. Es ist Sonntag - ich telefoniere mit der Freiburger Tierklinik und meinem Haus-Tierarzt. Der Notarzt in der Klinik meint, normalerweise würden sie nicht gerne abschneiden da das Heilen dann Monate dauert aber nach mehr als 4 Stunden bestünde fast keine, und nach 30 Stunden gar keine Chance mehr, dass die Haut anwächst und mein Tierarzt hat kein Problem gleich am nächsten Morgen (also 3 Tage nach der Verletzung) die Wunde entsprechend zu versorgen.

21,1km - 10h 06' - 687m 1587m

 

Vor Abschluss diese Berichtes möchte ich Peter (van der Gugten) selbst zitieren:

"Ich bin seit 2004 mit meinem Team unterwegs in den Bergen Europas und der Welt. In den Bergen erleben wir das Team Pferd - Mensch besonders intensiv. Die Berge verlangen vor allem Teamgeist und setzt Vertrauen voraus, weil es immer darum geht sicher und heil weiter zu kommen."
(Quelle: alpentrekking.ch - 12/2022)

und als Leiter der Wanderreit Akademie Schweiz "Wanderreiten - fördert wie keine andere Disziplin die Partnerschaft zwischen Pferd und Reiter. Wanderreiten ist die natürlichste Sache der Welt fürs Pferd.... wir Reiter müssen dazu lernen.... mit der Natur und nicht gegen sie unterwegs zu sein... Vertrauen ist dabei eines der grundsätzlichsten Voraussetzungen. In der Freiheit vertrauen die Pferde ihrer Leitstute.... Wir als Reiter sind gefordert, die Funktion der Leitstute zu übernehmen.... Die Grundlagen: Führung, Vertrauen und Wissen ist, was wir hier an der Wanderreiter-Akademie vermitteln. Damit der Wanderritt zum erfolgreichen Erlebnis wird...." (Quelle: wanderreit-akademie.ch - 12/2022)

Und ich erlaube mir, neben dem bisherigen Versuch einen sachlichen Tatsachenbericht zu schreiben, auch einen Kommentar anzufügen!

Ein Kommentar ist, per Definition, eine persönliche Meinung!

Nach dem Wissen über die Vorgeschichte und das Geschehen der vergangenen Tage - mangelhafte Vorplanung, keine offene Kommunikation, keine (Zu-) Rücksicht, kein wirkliches Miteinander, das scheinbare "getrieben sein"  und die Planung unterwegs, die man ja auch deutlich professioneller machen kann - das alles sehe ich heute als Vorbereitung für das Desaster am Ende.

Ja - und die Art mit Pferden umzugehen ist auf jeden Fall verbesserungswürdig. Sicher, Unfälle passieren immer wieder, aber solch eine Situation wie hier am Soreda-Pass ist ein, durch unsensibles Fehlverhalten provozierter "Unfall", in den man mit sehenden Augen gelaufen ist und der einfach hätte verhindert werden können. Es ist nicht möglich ein Pferd mit reiner Körperkraft dazu zu bewegen etwas zu machen was es nicht will, es ist sinnlos. Und es ist hoch gefährlich, dies auch noch in unsicherem Gelände zu tun - das Pony hat mehr Kraft und mehr Energie als ein Mensch. Und was daraus resultierte hat man ja gesehen! Leider hat hier auch die "Dummheit" des Pferdes dafür gesorgt, diesen Absturz eintreten zu lassen!

Hätte das Pony abwärts nicht auch verweigert, wäre nichts passiert! Wir wären einfach wieder aus dem Berg raus gelaufen. Und Umdrehen sollte ja eigentlich die Anspannung lösen und Gefahren vermeiden helfen. Nur Pferde funktionieren eben anders und ein Pferdemensch, besonders ein verantwortlicher "Rittführer" muss das wissen und auch respektieren. Mit Gewalt diese Situation brechen zu wollen, hat hier zum Desaster geführt und das bei einem normalerweise "ober coolen Profi"-Pferd mit einer Geländeerfahrung von 15 Jahren und mindestens 40.000km.

Die einen Pferdemenschen achten das Pferd als lebendes Individuum, mit Ängsten, Bedürfnissen, Wünschen. Nur so ist es möglich die Situationen im Einklang mit dem Pferd optimal zu meistern. Beeinflussung durch positive Impulse zeigt sanftere und einfach bessere Erfolge, ein freiwilliges Interagieren wird nur dadurch möglich - manche nennen das Vertrauen. Es vermittelt eine enorme Lebensqualität wenn es gelingt diese Bedürfnisse richtig zu erkennen, im Einklang miteinander zu agieren.

Die anderen Pferdemenschen - ja was machen die eigentlich? Genau diese Antwort habe ich, in der Hintergrundanalyse unten, zu ermitteln versucht!

Auch wenn das hier ein Explorertrail in unbekanntem Gelände war, enthebt es den Verantwortlichen nicht von der Pflicht für die Sicherheit der Gruppe, vor Allem der Pferde zu sorgen, besonders wenn er Geld dafür nimmt. Zur Erinnerung: "Der gute (DWA-) Wanderrittführer ist ein erfahrener Geländerittführer, der einen mehrtägigen Wanderritt vorbereiten und eine Reitergruppe auch in unbekanntem Gelände sicher führen kann" (Quelle: DWA).

Ursächlich für diesen Absturz waren nicht die vielen kleinen oder großen Mängel der letzten Tage, nicht meine Feigheit oder meine Benommenheit zu diesem Zeitpunkt und auch nicht die "Dummheit" oder die Boshaftigkeit des Ponys. Diesen vorhersehbaren Absturz als Unfall zu bezeichnen wäre reine Schönrederei, was man gerne macht wegen der Menschlichkeit, der Solidarität oder wegen was weiß ich? Hier ist es völlig unangemessen diese Tatsache verstecken zu wollen denn es ist offensichtlich.

An diesem Absturz war derjenige Schuld, der als Letzter physischen Kontakt mit dem Pony hatte und dieses durch seine Aktionen letztlich über den Wegrand gedrängt hat: "Peter van der Gugten"!

Nachtrag (17 Monate später)

Peter hat sich in keiner Weise daran betroffen gezeigt oder sich in irgend einer Weise entschuldigt. Ich habe ihm Ende 2022, als dieser Artikel fertig war, schon im Vorfeld der Veröffentlichung angeschrieben und freigestellt zu dieser und der Analyse-Seite, zu den Verhaltensfehlern, die ich ihm vorwerfe, Stellung zu nehmen - ich würde seinen Beitrag veröffentlichen, da ich an einer öffentlichen Diskussion interessiert wäre oder auch nicht wenn es nicht gewünscht wäre - bis heute (Dezember 2023) kam leider NICHTS!

Ich habe kein Problem damit, "nobody is perfect", ich konnte ja glücklicherweise "Schlimmeres" verhindern und mein Pony hat ja offensichtlich auch kein Problem damit 81% steile Berghänge runter zu rollen (diese Aktion hatten wir noch nicht im Repertoire). Fehler passieren, aber jeder sollte zu seinen Fehlern stehen, sich selbst reflektieren und daraus lernen!

Nur indem man die Wahrheit ausspricht und diese gehört wird, kann sich etwas ändern!

Hoffen wir, dass es in diesem Falle geschieht!



Hintergrundanalyse: Ich habe einen Versuch einer Analyse der ganzen Aktion gewagt, um die Ursachen dahinter offen zu legen, auch um mir selbst klar zu werden, was an dieser Unternehmung alles "schief" gelaufen ist und wieso! Ein kleiner Teil der Ergebnisse ist in meinen Kommentar oben eingeflossen. Diese Analyse geht jedoch so tief, dass ich sie nicht öffentlich anbieten möchte, dieser Rittbericht ist schon deutlich genug! Daher habe ich den Link zum Aufruf der Seite geschützt.

Ich habe versucht, einige Hintergründe über Tourenplanung, Tourendurchführung, die Verhaltensweise von Pferden in Grenzsituationen und was die Aufgabe eines Rittführers eigentlich ist, etwas intensiver zu beleuchten um an diesem konkreten Beispiel, Details und Belegen, aufzuzeigen wie man es nicht machen sollte. Und ich habe einige Belege aufgezeigt um meine, im obigen Kommentar geäußerte, Meinung zu begründen - und mehr als das.

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Wir haben beide auch dieses Drama zusammen überstanden, wieder einiges daraus gelernt, ich zumindest. Ich hätte zwar Casanova diese Episode gerne erspart aber Pferde sind da sehr pragmatisch - scheint für ihn alles ok gewesen zu sein, hat ja überlebt! Das war allerdings fast ein Wunder.

Die Bilder der Wunde und die Heilung über die Zeit sind faszinierend und der ganze Heilprozess auf meiner Wikiseite dokumentiert. Da kann man sehen, dass es wirklich kein Problem ist dennoch zu reiten - eher das Gegenteil ist der Fall.

Eine Woche nach der Wundversorgung bin ich nämlich wieder geritten, ohne irgendwelche Probleme, Casanova war genau wie immer, hat sich gefreut mit seinem Lieblingsspanier zu galoppieren und verhindert ein Überholen, wobei er die ersten Tage diesen auch gerne vorgelassen hat. Knapp 3 Wochen nach der Alpentour sind wir in die Pyrenäen gefahren. Ich wollte unbedingt vermeiden, dass hier irgend ein Schaden psychischer Natur, zurück bleibt und es hat sich kein Zögern in keiner Situation, auch nicht auf schwierigen Pfaden im Hochgebirge der Pyrenäen, gezeigt - mein Pony ist einfach unglaublich.